Temporars Susch › Guest-in-Residence › ¬ April 2021 › Jefta van Dinther
Jefta van Dinther, guest-in-residence Muzeum Susch, credits: Nina Andersson
Jefta van Dinther, Künstler in guest-in-residence Muzeum Susch, Bildnachweis: Nina Andersson

Jefta van Dinther ist ein Choreograf und Tänzer, der zwischen Stockholm und Berlin arbeitet. Seine Arbeit zeichnet sich durch einen rigorosen körperlichen Ansatz aus und beinhaltet immer auch eine inszenierte Erforschung der Bewegung selbst. Der bewegte Körper ist der Kern seiner Praxis, gehört aber zu einem Körper aus Licht, Klang und Materialien mit dem er interagiert. Zentral in seiner Arbeit ist die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Dies wird aber nicht nur durch die Beziehung zu Gesellschaft, Gemeinschaft und Umwelt untersucht, sondern auch zu Lebensformen wie dem Tier und anderen nicht-menschlichen Wesen. Van Dinthers Performances dringen in metaphysische oder jenseitige Bereiche ein und beschäftigen sich mit Begriffen wie Illusion, dem Sichtbaren und Unsichtbaren, Synästhesie, Dunkelheit, Arbeit, Sex, dem Unheimlichen, Affekt, Stimme und Bild.

Als Guest-in-Residence des TEMPORARS SUSCH wird er im April 2021 an dem Projekt A History of Walking arbeiten. Im Rahmen dieses Projekts will Jefta van Dinther eine Studie über ein archaisches Unterfangen in Angriff nehmen: das Gehen – die bipedale Evolution der menschlichen Anatomie. Irgendwann in der Evolution stellte sich der Vorfahre Affe auf die Hinterbeine und ging so lange, bis sein Körper zu unserem aufrechten, zweibeinigen, schreitenden Körper wurde. Und das schuf Möglichkeiten: ein zusätzliches Paar Gliedmaßen, die etwas halten oder herstellen oder zerstören wollten – Hände, die zu Manipulatoren der Welt wurden. Das Gehen ist in vielerlei Hinsicht gleichbedeutend mit unserer Existenz und ist das Markenzeichen des Menschentieres.

Das Gehen, als Akt der Fortbewegung durch den Raum, ist im Wesentlichen seit dem ersten Aufstehen unverbessert geblieben. Aber erst in jüngerer Zeit hat der Akt des Gehens, als willentlicher Akt an und für sich, herausgelöst aus dem Kontext der Arbeit oder dem Erreichen des Ortes der Arbeit, zunehmend an Bedeutung gewonnen, sowohl gesellschaftlich als auch politisch. In den letzten Jahren ist das gemeinsame Gehen en masse zu einem Recht, einem Werkzeug und einer Stärkung einer Zivilgesellschaft geworden, die sich gegen Gewalt, Angst und Unterdrückung behaupten kann. Der beste Beweis für die Kraft von unbewaffneten Menschen, die gemeinsam auf die Straße gehen, sind die aggressiven Maßnahmen, die ergriffen werden, um diese Menschenmengen bei Märschen und Protesten auf der ganzen Welt zu kontrollieren oder zu stoppen. Genauso wie das Gehen die Tat eines jeden ist, ist die Geschichte des Gehens die Geschichte eines jeden. Darin liegt ihre Kraft.

Mit dem Projekt A History of Walking wird diese Potenz untersucht und erforscht, um zu verstehen was Gehen bedeuten und repräsentieren kann.

Das Guest-in-Residence-Projekt wird mit Unterstützung und in Kooperation mit dem Performance-Forschungsprogramm ACZIUN SUSCH realisiert.

www.jeftavandinther.com