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Vera Dajht-Kralj

(1928 – 2014)

Zagreb, Kroatien


Vera Dajht-Kralj at her studio, Zagreb, c. 1985. Courtest of Zivi Atelje DK

DER NACHLASS

Vera Dajht-Kralj's studio, Zagreb, 2023 photo by Sasa Kralj © Zivi Atelje DK

Der Nachlass von Vera Dajht-Kralj (1928-2014) in Zagreb ist einer der vom Instituto Susch unterstützten Nachlässe aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die Künstlerin arbeitete dort von 1956 bis zum Ende ihres Lebens. Sie erhielt die Räumlichkeiten kurz nach ihrer Rückkehr aus Paris, wo sie an der École des Beaux-Arts studierte. Das Atelier beherbergt noch heute zahlreiche Werke der Künstlerin, darunter Skizzen, Arbeiten auf Papier, Entwürfe für Denkmäler, Keramik- und Tonskulpturen, sowie verschiedene Versionen von Darstellungen der Hexe von Grich. Die Figur der Hexe, einer Frau, die mehr weiss als andere und dafür verfolgt wird, war ein Thema, das sich über viele Jahre durch ihr Werk zog.

Derzeit ist Veras Atelier auch der Sitz der Kunstkooperative Živi Atelje Dajht Kralj (Lebendiges Atelier DK). Das lebendige Atelier ist eine unabhängige, interdisziplinäre, nichtstaatliche und gemeinnützige Organisation, die sich auf die Unterstützung und Zusammenarbeit mit Künstlerinnen, die Integration der Öffentlichkeit in Kunst auf lokaler und internationaler Ebene sowie die Erforschung und das Verständnis des Andersseins konzentriert. Identität, Erinnerung, Ökologie, Gleichberechtigung, Gemeinschaft und Friedenskonsolidierung gehören zu den Themen, zu deren Erforschung die Kooperative durch Kunst anregt. Sie arbeitet auch an der Erhaltung und Förderung der Kunst der Bildhauerin Vera Dajht-Kralj, deren Sammlung – als ihr physisches und kreatives Erbe - die Inspiration und die Achse verkörpert, um die sich die Aktivitäten des Ateliers drehen.

DIE KÜNSTLERIN

Vera Dajht-Kralj, Visualisation (mockup) of the monument of the Witch of Grich, 1990, Orignial montage photo by Branko Brce: repro photo by Boris Berc © Zivi Atelje DK

Vera über sich selbst:

Ich wurde am 11. Dezember geboren. Daran kann ich mich natürlich nicht erinnern. Andere haben mir erzählt, dass es ein furchtbarer Winter war. Ich wurde im Sternzeichen Schütze geboren, und damit habe ich ziemlich viel Pech. Als Zwilling war ich bereits im Mutterleib nicht allein und so ist es auch im Leben. Ich liebe Gesellschaft. Soweit ich mich zurückerinnern kann, seit meiner Kindheit, sehe und fühle ich Lehm. Da ich in einer Ziegelfabrik aufwuchs, sah ich die Maschinenpresse, die tönerne Wetterhähne für Dächer ausspuckte. Meine frühe Kindheit. Traditionelle Familie. Damals kamen Professoren in unser Haus, um uns zu unterrichten, Prof. Mima Petrović Stein, Skender Kulenović und Rabbi Dr. Ginsberg. Die Diskussionen führten vom Marxismus bis zum Talmud. Da mein Vater musikalisch begabt war, hatten wir Zugang zu Schubert, Verdi und Wiener Operetten. Der alte Plattenspieler mit dem grossen Hornlautsprecher drehte und drehte sich. Als ich 10 Jahre alt war, besuchte ich eine Ausstellung über italienische Porträts im Wandel der Zeit. Bernini und Michelangelo ... Meštrović.

Im März 1942 flohen wir aus meinem Geburtshaus und ich hatte nur einen Wunsch: mich in eine kleine Maus zu verwandeln, damit das menschliche Leid an mir vorüberziehe.

Lager Kraljevica und Rab. Ich nahm Zeichen- und Malunterricht bei einer Malerin aus Wien und bei dem Maler Ivo Rein. Durchfall, Kälte und Hunger. Blick auf die Bucht von Bakar. Italien kapitulierte. Über Senj und den Vratnik-Pass gelangten wir in das befreite Gebiet. Kälte, Hunger und Angst. Ich schrieb Slogans. Die Schlucht des Flusses Korana mit Wassermühlen, die an die Gemälde Rembrandts erinnerten. 1945 erreichten wir die zerstörten Stadt Zadar. Gymnasium in der Prva Partizanska gimnazija. Stöbern in den Ruinen. Venezianische Spiegel, Möbel aus der Epoche, Bibliotheken.

Das Ende des Krieges. Zadar glitzerte mit Lichtern wie ein Juwel - himmlisches Glück.

Zagreb - ich will das alles wiedergutmachen.

Akademie-Kršinić. Im Atelier arbeite ich mit Beri Brajković, Branko Vlahović und einem erstaunlichen Modell, Branko Rakoci. Wir arbeiten in einem verrückten Tempo, eifersüchtig auf eines jeden Feedback und die Zeit, die vergeht. Wegen unterschiedlicher Meinungen kommt es sogar zu Handgreiflichkeiten. Ich verehre Kršinić, Đuro Tiljak und Krsto Hegedušić. Ich glaube an sie.

Ich nehme auf seine Initiative hin an einem Meisterkurs bei Vanja Radauš teil, aber gleichzeitig gewinne ich ein Stipendium für Paris.

Im Gespräch zeigt sich Prof. Radauš nicht sehr begeistert, aber er versteht, dass es eine Chance ist, die man nicht verpassen darf. Wir sehen uns erst kurz vor seinem Tod wieder. Er will mir eine Zeichnung schenken, die ich leider nicht annehme. Im selben Jahr lande ich in Florenz. Das ganze Jahr verbringe ich auf Diplomreise mit Ljubo Babić. Einen derart gelehrten Menschen zum Vorbild zu haben, kann man wirklich als Glück bezeichnen. Es ist das Ende des Sommers. Der Herbst führt mich nach Paris, und ich starte an der Beaux-Arts bei Prof. Yencesse. Ein internationales Publikum in seinem Atelier. Auf der anderen Strassenseite liegt der Louvre. Meine ersten Begegnungen mit der Liebe. An der Grande Chaumière (1952) lerne ich Osip Zadkin und einige seiner Schüler kennen. 1956: Zagreb. Ich finde mein Atelier, das ich bis heute renoviert habe. Es ist mein Raum, und kommen Menschen mit verschiedenen Profilen hierher, die ich liebe.

Studienreisen: Italien, Frankreich, Schweiz. Auftragsarbeiten im Atelier. Ausstellungen, Konflikte, Zufreidenheit. Ich denke immer an Polychromie in einer Vielzahl von Techniken. Die Geburt meines Sohnes und Grožnjan. Die Zeit der Lebensmitte schleicht sich in meine Falten. Ich finde eine Methode, Kupfer zu giessen. Die Alchemie ist fesselnd. Symposium in Prilep. Das beste Bild. Ich beginne, Kupferflächen zu polychromieren. Die große himmlische Decke ruht in der Zeit, während die Zeit eine Auswahl trifft.

Zagreb, 3 August 1987

Vera Dajht-Kralj

Dieser Text wurde veröffentlicht in Beyond Visible: The Public Sculpture of Vera Dajht-Kralj, ed. Ana Kršinić-Lozica (Zagreb 2018).

Vera Dajht-Kralj (geborene Deucht, 11. Dezember 1928 - 16. Mai 2014) war eine kroatische Bildhauerin.

Dajht-Kralj wurde als Tochter einer jüdischen Familie in Zagreb geboren. Ihre Urgrosseltern väterlicherseits waren zwei Jahrhunderte vor ihrer Geburt aus Ungarn nach Kroatien gezogen. Sie schloss 1952 ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste der Universität Zagreb ab, wo sie auch ein Nachdiplomstudium unter der Leitung der Bildhauer Frano Kršinić und Antun Augustinčić absolvierte. Im Jahr 1953 beendete sie ihre zusätzliche Ausbildung an der Beaux-Arts de Paris bei Prof. Hubert Yencesse.

Im Jahr 1952 nahm sie an ihrer ersten Gruppenausstellung im Musée Municipal d'Art Moderne in Paris teil und hatte 1960 ihre erste Einzelausstellung in Zagreb. Seit 1955 war sie Mitglied der Kroatischen Künstlervereinigung. Mitte der 1950er Jahre begann sie, öffentliche Denkmäler zu konzipieren, darunter ihr erstes monumentales Denkmal in Oborovo. Danach schuf sie etwa zwanzig Skulpturen, Büsten, Reliefs und Denkmäler für den öffentlichen Raum sowie über 30 Wettbewerbsbeiträge für öffentliche Skulpturen, hauptsächlich in Kroatien, aber auch in Mazedonien, Slowenien, Serbien, Kanada, der Demokratischen Republik Kongo und der Schweiz. Im Jahr 1991 wurde ihre Skulptur Prozor (Fenster) in der Tkalčićeva-Strasse in Zagreb installiert. Im Laufe ihrer Karriere nahm sie an mehr als 70 Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland teil (Österreich, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Südafrika, Schweiz).

Sie formte ihre Kammerskulpturen in Terrakotta, Bronze und Emaille und passte die Galvanotechnik ihren Bedürfnissen an. In all ihren Werken spielen Textur und Farbe eine herausragende Rolle. Auch schuf sie einzigartigen Schmuck und Zeichnungen. Im Jahr 2003 widmete die Glyptothek der Kroatischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Zagreb ihrem Werk eine retrospektive Ausstellung.

Dajht-Kralj erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter ein Diplom der jugoslawischen Porträt-Triennale in Tuzla (1971), den Premio originalitá e validitá in Ferrara und die Silbermedaille für Bildhauerei in Neapel (beide 1977), den Preis des Tourismusverbandes der Stadt Zagreb (1987) und ein Ehrendiplom der 4. Welt-Triennale der Kleinkeramik in Zagreb (1993). Sie wurde auch für einige ihrer nicht realisierten Wettbewerbsbeiträge für Denkmäler (Studentengrab im Gedenkpark in Kragujevac 1961, Frauengedenkpark in Skopje 1963, Denkmal für die Opfer des Faschismus im Februar 1964 und Denkmal für August Cesarec 1973 in Zagreb) und ihre Arbeit in der Kunsterziehung (Plakette der Stadt Zagreb 1966 und Gedenkdiplom der Stadtverwaltung Zagreb 1968) ausgezeichnet.



↘ Vera Dajht-Kralj: der Nachlass

↘ Vera Dajht-Kralj: Works