→ DER NACHLASS
Diana Miziri
(1951 – 2005)
Tirana, Albania
DER NACHLASS
Der Nachlass von Diana Miziri (1951–2005), verwaltet von ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern, umfasst eine bedeutende Anzahl von Textilarbeiten, die hauptsächlich in den 1990er Jahren entstanden sind. Diese Werke sind überwiegend gewebt oder bestickt und bestehen aus Materialien wie Wolle, Leinen, Baumwolle, Acryl sowie recycelten Kaffee- und Reissäcken. In den frühen 90er Jahren war es in Albanien schwierig, geeignete, hochwertige Arbeitsmaterialien zu finden, sodass es für sie praktischer war, Materialien wiederzuverwenden und diese durch einen Färbeprozess zu Hause anzupassen. Alle Werke sind handgefertigt und ohne Webstuhl in der heimischen Umgebung gewebt. Sie improvisierte verstellbare Hilfsstrukturen, an denen das Stück fixiert wurde. Für das Weben benutzte sie große Nadeln, bis zu 15 cm lang, die sie ebenfalls selbst herstellte. Die Formate variieren in der Höhe von 60 cm bis 250 cm.
Da sie ohne den festen Rahmen eines Webstuhls arbeitete, wurden ihre Textilien freier und experimenteller. Ihre Grundausbildung hatte sie in der Malerei, und das war ihr Ausgangspunkt. Anfangs wollte sie sich nicht auf Textilien spezialisieren, was ihr durch das damalige System „aufgezwungen“ wurde. Textilien wurden letztendlich zu ihrem bevorzugten Ausdrucksmittel, aber sie näherte sich ihnen mehr aus einer malerischen Perspektive.
Vor den 1990er Jahren waren Textilien in Albanien hauptsächlich in das funktionale Design integriert, etwa für die Herstellung von Teppichen, Stoffen und anderen Elementen zur Dekoration, und wurden nicht als eigenständige Kunstform angesehen oder praktiziert. Unter den Direktiven des Sozialistischen Realismus mussten die in Textilien verwendeten Motive und Muster von traditionellen Elementen inspiriert sein. Dennoch waren Textilien eines der wenigen Medien, in denen geometrische und abstrakte Ausdrucksformen akzeptiert und erlaubt waren, im Gegensatz zur Malerei und Bildhauerei, bei denen jegliche Abweichung von der figurativen sozialistischen Realismus-Doktrin nicht nur inakzeptabel war, sondern auch mit Haft und Verfolgung streng bestraft wurde.
Dianas Textilschöpfungen aus den 90er Jahren sind das Ergebnis einer Befreiung vom funktionalen Design und einer Rückkehr zum freien und experimentellen malerischen Ausdruck. Es sei auch betont, dass sich die albanische Kunst im 20. Jahrhundert vom Klassizismus zum Sozialistischen Realismus entwickelte und dabei den Modernismus und Postmodernismus übersprang, um erst in den 90er Jahren mit der zeitgenössischen Kunst konfrontiert zu werden. Aufgrund der extremen Isolation des Landes und seines Versuchs, jegliche fremden und modernistischen Einflüsse zu verbieten, waren Künstler größtenteils unbewusst und uninformiert über die Kunstgeschichte ab dem Impressionismus.
In diesem Kontext sollten Dianas Textilarbeiten aus den 90er Jahren als der eigenständige Ausdruck ihres eigenen ästhetischen Verständnisses verstanden werden, das rein intuitiv war und frei von Referenzen, Einflüssen und Dialogen mit jeglichen Assoziationen, die nicht aus ihrer eigenen Erfahrung stammten.
Ein wesentlicher Teil ihres Nachlasses umfasst Skizzen und Zeichnungen, die als Ausgangspunkt für die Erstellung der Textilarbeiten dienten. Einige der Textilien wurden schließlich produziert, aber viele blieben unausgeführt. Die Skizzen wurden hauptsächlich mit farbigen Stiften und Schablonen auf weißem Papier in verschiedenen kleinen Formaten angefertigt, von wenigen Zentimetern bis hin zu A4-Größe. Sie dienten mehr der Komposition und konzentrierten sich auf die Schaffung von Formen und Schichten, wobei nur zwei oder drei Farben verwendet wurden: Blau, Schwarz und Rot. Die Farben wurden anscheinend später in der Ausführungsphase ausgewählt. Wir könnten daraus schließen, dass es oft die gefundenen Materialien waren, die die Farbpalette des Endwerks diktierten. Es ist jedoch auch bekannt, dass Diana und ihre Familie die Fäden oft manuell nach ihren Bedürfnissen färbten. Einige Skizzen sind Installationsprojekten gewidmet, die für größere Räume vorgesehen waren und aus vielen Textilstücken bestehen sollten.
Ein weiterer Teil des Nachlasses besteht aus Kleidung und Accessoires, die Diana in den frühen 90er Jahren für die ersten Modedesign-Wettbewerbe in Albanien entworfen und hergestellt hat. Sie hatte nie wirklich ein richtiges Atelier und arbeitete oft zu Hause oder im Klassenzimmer, in dem sie unterrichtete. Ab 1995 teilte sie sich ein kleines Atelier mit ihrem Ehemann, in dem heute die meisten ihrer Textilarbeiten aufbewahrt werden.
Diana verstarb 2005 nach einer akuten und schnell fortschreitenden Krankheit. Ihre Praxis, ebenso wie die Geschichten vieler anderer Künstlerinnen, deren Karrieren in Albanien unter dem Kommunismus begannen und sich im Laufe des demokratischen Übergangs des Landes veränderten, fehlt es an angemessener Forschung, Sichtbarkeit und Förderung. Die Kuratorin Adela Demetja, die Diana am Jordan Misja Kunstgymnasium in Tirana durch ihre Tochter Ela kennenlernen konnte, entdeckte Dianas Werke 2020 im Rahmen ihrer Recherche für ein Ausstellungsprojekt wieder.
Diana Miziris Nachlass ist eine wertvolle Ressource für die Entwicklung von Textilien als Kunstform in Albanien, aber die Werke benötigen eine Restaurierung und könnten in den kommenden Jahren Schwierigkeiten bei der Konservierung haben.
DIE KÜNSTLERIN
Diana Miziri’s desire to pursue art was deeply personal, and her family recognized and supported this passion. From an early age, she participated in art drawing courses in her hometown of Durrës. Later, she pursued higher education at the forerunner of the Tirana University of Arts, specializing in textile design. Although textile design was not her first choice, she embraced it wholeheartedly. This field ultimately became the primary medium of her artistic practice.
Diana was a member of the generation of Albanian artists studying during a period when the Tirana art academy was undergoing a transformation, broadening the program to include specializations like textile design, graphics, ceramics, monumental painting, and so on. During her studies she met her future husband, Fatmir Miziri. In 1973 they both graduated from the painting department, where Diana specialized in textile design and Fatmir in glass design. Diana and Fatmir often collaborated on joint creations and exhibitions. Their two children, Ela and Oert, who studied art and architecture, were involved in their parents’ artmaking process.
After her graduation Diana began her career as a rug designer at the carpet factory in Kavajë, focusing primarily on export models. She soon moved back to Tirana and was hired as an art teacher at the Mihal Grameno School and in the Visual Arts Course at the Palace of Pioneers.
During the 1980s, Diana focused on motherhood and teaching, and without a proper studio her artistic practice was somewhat neglected. However, she was periodically granted leave for creative practice, allowing her to execute several oil-on-canvas works. Most of these pieces were given away, and there is little documentation of them.
With the changes that occurred in 1990 her artistic practice blossomed with energy and productivity. There was a newly acquired freedom of expression, which had been drastically repressed in Albania after the Second World War. In the 90s, Diana returned to the pictorial approach. This emerged from an intuitive process, and she poured it solely into her textile pieces.
In 1992, Diana and Fatmir Miziri opened a joint exhibition of textiles and sculpture at the National Gallery of Arts in Tirana, with works created from the late 80s to 1992. Diana’s textile works created in the early 90s document the newfound freedom of expression, reflected in compositions that tend toward free geometrical and organic abstraction. The interplay between materials and colours, as well as breaking away from repetitive pattern weaving, set the tone for these works. Her approach, although intuitive, played a decisive role in elevating her practice, and weaving more generally, to works of art.
Regarding her technique, the works from this period were often made with poor-quality materials, frequently reused or repurposed from industrial sources predating the 1990s. During the post-communist transitional years, there were significant shortages of materials and means for producing textile works. As a result, Diana often used spare materials from the textile industry, remnants from the communist era, and combined them with leftover materials from imported products, such as coffee and rice sacks, as well as various cotton, wool, and linen threads. Some of these materials were manually dyed to achieve the desired hues. Consequently, many of her works were characterized by an approach of recycling and reuse. Most of her works were produced in her home, which was adapted to function as a studio. Family members were involved in various processes, such as spinning wool, picking apart old sacks, dyeing materials, and preparing the support structure for weaving. Every textile work was produced without the aid of machinery or a loom. Instead, Diana used auxiliary structures, like griddles, to fix the pieces she wove. Weaving was mainly done using large needles, up to 15 cm long, which she made herself with the assistance of her husband. Some of her textile works were created jointly with her husband.
In 1992 Diana was among the first Albanian fashion designers to participate in the competition broadcast on national TV on the primetime show Twelve Dances Without a Saturday. She designed and produced all the dresses, which were partly or entirely woven or embroidered. Around 1995, Diana resumed her creative practice in a small studio that she shared with her husband. In 1994 she became a member of the Linda association of women artists, and participated in many exhibitions and workshops organized by the association, which stimulated her to transform her practice further. She began exploring new techniques, producing installation works that incorporated textiles with adhesive techniques on glass and creating silhouettes on film negatives, which were projected on walls. She also experimented with intertwining textiles with metal structures, although some of these projects remained incomplete and unexhibited.
She took part in national textile exhibitions, the Onufri competition, and international exhibitions in Switzerland, Italy, France, and Germany. From 1998, she taught drawing and painting at the Jordan Misja Art Lyceum, until her death in 2005. After many years of invisibility, in 2021 Diana’s textile works were shown among the works of many other women artists from Albania, Kosovo, and the diaspora in the exhibition Ambitions at the National Gallery of Arts in Tirana and National Gallery of Kosovo, co-curated by Adela Demetja.
Text by Adela Demetja